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Schloss Lichtenburg bei Prettin. Vom Antoniterkloster zum Witwensitz

Schloss Lichtenburg bei Prettin. Vom Antoniterkloster zum Witwensitz

Shortly after the Reformation, the Saxon Elector integrated the medieval Antonine monastery “Lichtenberg” near Prettin (Saxony-Anhalt) into his residential system. Lichtenburg Castle became one of the favourite dowager’s seats in early-modern Saxony. In the early 17th century, the dowager Electress Hedwig of Denmark (1581-1641) and her court mainly lived in Lichtenburg. Several Renaissance and early Baroque wall paintings and wooden ceilings have survived in situ until today.

Anonym, Hedwig von Dänemark, 1641, Museum Schloss Lichtenburg
Anonym, Hedwig von Dänemark, 1641, Museum Schloss Lichtenburg

Im Jahr 1608 betraute der sächsische Kurfürst Christian II. (1583-1611) seine Mutter, Sophia von Brandenburg (1568-1622), mit einer heiklen Mission. Sie sollte für Christians Gattin, Hedwig von Dänemark (1581-1641), einen geeigneten Witwensitz finden. Sechs Jahre zuvor war das Amt Sangerhausen im Ehevertrag als Wittum festgelegt worden, doch nun hatten dänische Gesandte dieses in schlechtem Zustand vorgefunden. Hedwigs Bruder Christian IV. (1577-1648), König von Dänemark und Norwegen, forderte daraufhin ein ‚Upgrade‘ für seine Schwester. Durch Vermittlung der Kurfürstinmutter einigten sich die Parteien schließlich auf Schloss Lichtenburg als Ersatz für Sangerhausen.[1]

Schloss Lichtenburg von Südosten
Schloss Lichtenburg von Südosten

Der kurfürstlicher Witwensitz Schloss Lichtenburg,[2] das ehemalige Antoniterkloster ‚Lichtenbergk‘ bei Prettin (Sachsen-Anhalt), bietet mit seinen Vorwerksgebäuden auch heute noch einen beeindruckenden Anblick. Im 19. Jahrhundert wurde die Anlage als Strafanstalt und im frühen 20. Jahrhundert als KZ genutzt. Diese jüngere Geschichte mag dazu beigetragen haben, dass die Kunstgeschichte Lichtenburg vergessen bzw. nicht als bedeutendes Renaissanceschloss und schon gar nicht als Kloster wahrgenommen hat. Von den anderen sächsischen Schlössern, wie dem nahegelegenen Torgau, ist Lichtenburg durch die heutige Landesgrenze getrennt.

Schloss Lichtenburg, Vorwerksgebäude, Backsteinmauerwerk, zwischen den Fensterreihen flämischer Verband, 14.-15. Jh.
Schloss Lichtenburg, Vorwerksgebäude, Backsteinmauerwerk, zwischen den Fensterreihen flämischer Verband, 14.-15. Jh.

Die Generalpräzeptorei der Antoniter in Prettin wurde zwischen 1290 und 1315 gegründet.[4] 1315 wird sie erstmals urkundlich erwähnt.[4] In der Reformationszeit kam dem rund 40km südlich von Wittenberg, an der Elbe gelegenen Kloster eine nicht unbedeutende Rolle als Verhandlungsort zu. Seit 1511 war Wolfgang Reissenbusch, kurfürstlicher Rat und Kanzler der Universität Wittenberg, Präzeptor in Lichtenberg. Hier traf Martin Luther sich 1518 mit Georg Spalatin und 1520 mit dem päpstlichen Legaten Karl von Milltitz. In seinen Tischreden behandelt Luther das Antoniterkloster Lichtenberg als Negativbeispiel, da der Konvent sich am Ablass bereichert habe: „Zu Liechtenberg verwundert sich D. Mart[inus] des grossen Guts und herrlichen Gebeude der Antonies Herrn, also das zu dieser Zeit mit drey Thonnen Goldes schwerlich zu enden were […].“[5]

Schloss Lichtenburg, Grundriss
Schloss Lichtenburg, Grundriss

Luthers Freund Reissenbusch löste 1525 den Konvent auf und übergab Kloster Lichtenberg an den sächsischen Kurfürst, für den er die Klostergebäude weiterhin verwaltete. 1536 erhielt Elisabeth von Dänemark (1485-1555), die zum Protestantismus übergetretene Kurfürstin von Brandenburg, Schloss Lichtenburg zur Nutzung als Witwensitz.[6] Das früheste erhaltene Inventar des „Hauses Lichtenberg“, des früheren Antoniterklosters, stammt von 1549. Die Raumbezeichnungen lassen erkennen, dass zu diesem Zeitpunkt das Haus der Antoniter (vermutlich der heutige Flügel D1), bereits als fürstlicher Wohnbau genutzt wurde. Dort gibt es u.a. sowohl eine große als auch eine kleine Hofstube, einen „Sommersaal“ und einen „neuen Saal“, Fürstenstube und –kammer mit Blick auf den Garten, ein Frauenzimmer mit mehreren Räumen und darüber im Dachgeschoss eine Bibliothek.[7] Letztere bezeichnet womöglich noch den Raum, in dem Wolfgang Reissenbusch seine Bücher aufbewahrt hatte.

Schloss Lichtenburg, erstes Obergeschoss, Holzdecke, Fassung 1. Hälfte 17. Jh.
Schloss Lichtenburg, erstes Obergeschoss, Holzdecke, Fassung 1. Hälfte 17. Jh.

Unter Kurfürst August (1526-1586) und Anna von Dänemark (1532-1585) wurde Lichtenburg weiter ausgebaut. Zwischen 1611 und 1641 ließ die Kurfürstinwitwe Hedwig die Anlage erneut modernisieren. Aus dieser Zeit stammen die heute sichtbaren Wandmalereien und Deckenfassungen der sogenannten Frauengemächer, die nur einen kleinen Ausschnitt der ehemaligen Ausstattung darstellen. Der größere Teil liegt unter dem modernen Verputz verborgen.

Schloss Lichtenburg, Flügel D3, erstes Obergeschoss, sog. Frauengemächer, Ostwand
Schloss Lichtenburg, Flügel D3, erstes Obergeschoss, sog. Frauengemächer, Ostwand

Für die Kunst- und Architekturgeschichte ist Lichtenburg ein Glücksfall von besonderem Rang. Trotz der späteren Nutzungsgeschichte präsentiert das Objekt sich heute weitgehend im Zustand des frühen 17. Jahrhunderts – auch wenn die Bausubstanz in den letzten Jahren gelitten hat und die mittelalterlichen Vorwerksgebäude unaufhaltsam verfallen. Wer in Lichtenburg nur kurz an der Oberfläche kratzt, der ahnt bereits, wie viel es in dieser Zeitkapsel zu entdecken gibt. Die Baugeschichte konnte bis heute noch nicht befriedigend geklärt werden. So ist zum jetzigen Zeitpunkt offen, wie viel von der ehemaligen Klosteranlage noch in den Schlossbauten und in den Vorwerksgebäuden steckt. Über die Bauaktivität der Antoniter in Prettin ist bisher nichts bekannt. Der unregelmäßige und für ein Schloss völlig untypische Grundriss lässt bereits erkennen, dass hier im 16. Jahrhundert auf einer bestehenden Struktur aufgebaut bzw. diese beibehalten wurde. Auch eine genauere Datierung der zweischiffigen „Schlosskapelle“, womöglich der Antoniterkirche des 15. Jahrhunderts (?), steht noch aus. Es bleibt Aufgabe der Bauforschung, hier zum weiteren Verständnis der Anlage beizutragen.

Schloss Lichtenburg, Schlosskirche nach Osten
Schloss Lichtenburg, Schlosskirche nach Osten

 

[1] Ute Essegern: Fürstinnen am kursächsischen Hof. Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Hedwig von Dänemark, Sibylla Elisabeth von Württemberg und Magdalena Sibylla von Preußen (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde Bd. 19), Leipzig 2007, S. 74.

[2] Am ausführlichsten zu Schloss Lichtenburg bisher Christine Pieper, Die Wandmalereien des südlichsten Frauengemachs (Raum A) des ersten Obergeschosses in Schloss Lichtenburg, Diplomarbeit, Hochschule für Bildende Künste Dresden, Dresden 2011 (unveröffentlicht) mit zahlreichen Befunden. Ich danke Frau Pieper sehr herzlich für die Bereitstellung ihrer Arbeit und das anregende Gespräch. Eine baldige Veröffentlichung ihrer Ergebnisse ist geplant.

[3] Albrecht Eckhardt: Lichtenburg und Grünberg – die Ablösung der Tochterniederlassung vom Mutterhaus, in: Antoniter-Forum 6 (1998), S. 7-16, S. 10.

[4] Adalbert Mischlewski: Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens bis zum Ausgang des 15. Jahrhunderts (Bonner Beiträge zur Kirchengeschichte 8), Köln, Wien 1976, S. 75.

[5] Martin Luther: Tischreden, Eisleben 1566, 346v.

[6] Herbert Voßberg: Luther rät Reißenbusch zur Heirat. Aufstieg und Untergang der Antoniter in Deutschland, Berlin 1968, S. 92 mit verweis auf StA Weimar Urk371.

[7] SächsStA Dresden, Bestand 10036 Finanzarchiv, Rep. A 25a I, I, Nr. 2243.

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2 comments

  1. Lore I. Lehmann says:

    Ab 1934 hatte der KZ-Häftling Fritz Küster den Auftrag, im Turmstübchen der Burg eine Chronik der Burg zu schreiben, aufgrund von Material, das ihm die Lagerleitung zur Verfügung stellte („alte Schwarten“). Er saß daran über ein Jahr lang. Ebenfalls in diesem Turm befand sich die Lagerbibliothek, die von Carlo Mierendorff und Stoecker betreut wurde. Was ist denn wohl aus dieser Chronik geworden? Fritz Küster war mein Vater, ich habe diese Angaben aus seinen Aufzeichnungen, die er nach Kriegsende verfasste. Über eine Rückmeldung von Ihnen würde ich mich sehr freuen!

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