Close
Auf der Spur der verschwundenen Badehäuser: Indikatoren fürstlicher Wohnkultur. Beispiele aus dem Süden im frühen 16. Jahrhundert.

Auf der Spur der verschwundenen Badehäuser: Indikatoren fürstlicher Wohnkultur. Beispiele aus dem Süden im frühen 16. Jahrhundert.

Ein verschwundenes Badehaus bei der Burg Wasserburg am Inn

Im Zuge der Recherchen und Archivarbeit im Rahmen meiner zum Sommersemester 2016 abgegebenen Masterarbeit[1] zu den Bauprojekten auf der Burg Wasserburg am Inn unter Herzog Wilhelm IV. von Bayern († 1550, reg. ab 1511) fanden sich, sozusagen als Beifang, interessante Hinweise auf ein heute verschwundenes Badehaus, von welchem bis dato keine Nachricht bestand. Es handelte sich um ein zweigeschossiges Bauwerk als Teil der Maßnahmen am Schloss, welche nicht nur den Ausbau des Hauptgebäudes, sondern die Aufwertung des gesamten angrenzenden Geländes umfassten, entsprechend der ursprünglichen Kernburg auf dem höchstgelegenen, östlichen Abschnitt des Rückens der Halbinsel.

ausschnitt-burg-wasserburg-1585
Ansicht der Burganlage Wasserburg am Inn 1585 (Ausschnitt) Original im BayHStA, Plansammlung Nr. 18601 hier aus: Heimat am Inn, Jahrbuch des Heimatvereins e. V. für Wasserburg am Inn und Umgebung, Bd. 30 /31, Wasserburg a. Inn 2011, S.156
burg_wasserburg_am_inn_schloss_und_kasten_von-sueden
heutige Ansicht der Burg Wasserburg von Südosten Quelle: Wikimedia Commons, CC-BY-SA 4.0 Author: Helmlechner
kernburg-vorburg-markiert
Ausschnitt aus dem Ortsblatt Wasserburg am Inn 1813. Türkis: Vorburg ; rot: Kernburg Quelle: © Bayerisches Landesvermessungsamt München, Nr. 558/03 via Bayerische Landesbibliothek Online, URL: http://www.bayerische-landesbibliothekonline. de/images/blo/ortsblaetter/karten/karten/St_Was_1813_w3.jpg , Bearb.: Verf.

Zu beachten ist hierbei die Beibehaltung der ursprünglichen Bereichsunterscheidung der Burganlage, der Kernburgbereich blieb nach wie vor exklusiv der fürstlichen bzw. herrschaftlichen Nutzung durch den Herzog, den verschwägerten Pfleger Graf Wolf[2] von Oettingen, deren Gefolgschaft und Gäste vorbehalten.

Den Hauptteil dieses Areals, in dem sich auch das verschwundene Badehaus befand, macht der nach Süden gelegene Hang zum Inn aus, der als Weinberg neu angelegt wurde. Zu diesem Zweck ließ man eigens einen im Weinbau erfahrenen Experten aus Esslingen anreisen:

Dem Marthen von Essling als er des
weinpergs halben hin vnnd wider
Zogen, Zerung geben | viii gld[3]

Neben dem Badehaus wurde in diesem Areal außerdem eine Schießhütte errichtet, welches den Bereich nach Osten zur Stadt hin abschloss, in etwa dem Verlauf der alten Stadtmauer Ludwigs des Bärtigen folgend. Die Schießhütte erhielt ebenso wie das Badehaus eine aufwändige und kunstvolle Ausstattung, wie es die Ausgaben in den Kastenrechungen dokumentieren.

gr-1813-markierungen
rot: mögl. Bereich, in dem das Badehaus errichtet wurde ; türkis v. l. n. r.: ehem. Wohnturm, Schloss, ‚Schießhütte‘ Ausschnitt aus dem Ortsblatt Wasserburg am Inn 1813. Quelle: © Bayerisches Landesvermessungsamt München, Nr. 558/03 via Bayerische Landesbibliothek Online, URL: http://www.bayerische-landesbibliothekonline. de/images/blo/ortsblaetter/karten/karten/St_Was_1813_w3.jpg , Bearb.: Verf.

In erster Linie betrifft dies die Rechnungen der Jahre 1539/40 bis 1543.  Aus diesen geht hervor, dass 1539/40 ein sogenannter ‚neuer Bau’ im Garten errichtet wurde, wobei ein Gang die Verbindung zum neuen Bad schuf:

Maister hannsen schmidt [wurde bezahlt für]
hafften vnd panntern In
den Neuen Paw Im garten
 
… alles Zu dem Neuen Paw in
dem garten gebraucht worden…
 
haften vnd pannten in dem
herfornen Neuen Paw vnd
ganng in das pädl[4]

Es werden hier also insgesamt drei ‚Baustellen’ erwähnt: Der „Neue Paw Im garten“ bezieht sich vermutlich auf die Schießhütte, die an anderer Stelle in den Quellen genannt wird, z.B. als deren Ausstattung vom Augsburger Maler Hans Renner[5] den letzten Schliff erhielt:

So ist Maister Hannsen Renner der die Schues-
hütn vnnderm Weinperg aufgeZiert mit
dem negstn aller notturft des hollzwerchs
verdingt vnnd bezalt worden[6]

Der herfornen Neue Paw“ dürfte dem auf der Ansicht von 1585 zu erkennenden Bauabschnitt entsprechen, der einen Verbindungstrakt von Schloss-Hauptgebäude rechts / östlich und dem ehemaligen (Wohn-) Turm der Anlage links / westlich herstellte. Von diesem Abschnitt ist, wie auch von Turm, Bad und Schießhütte, heute nichts mehr erhalten. Nahe dieses Trakts, vermutlich direkt südlich davor, dürfte dann der erwähnte ganng in das pädl“ verlaufen sein (Abb. GR). Wo genau sich das Bad im Bereich zwischen südlicher Außenmauer des Schlosses und der Umfassungsmauer zum angrenzenden Hang in Richtung Inn / Süden befunden hat, kann ohne weitere Indizien, wie sie z.B. (bau-)archäologische Untersuchungen erbringen könnten, bisher nicht weiter definiert werden. Ohne diese kann auch auf der ältesten und gleichzeitig detailliertesten Bildquelle zur Burg von 1585 (vgl. Abb.) kein Gebäudeteil oder Bauwerk in diesem Bereich eindeutig dem Badehaus zugeordnet werden. Hinweise zur Verortung liefert jedoch noch die Erwähnung der Zugangssituation im Rahmen von Reparaturarbeiten:

Itl Zwo thurn In dem Zwing(er)
so man In das pad hinaus
get, di penter vnd auch das
schloß gepessert auch ne
hanndtz haben, vnd schlissl
dar zu gemacht[7]

gebaeude-ansicht-1585
Verortung der Hauptgebäude der Burganlage Wasserburg am Inn in der Ansicht von 1585 (Ausschnitt) Original im BayHStA, Plansammlung Nr. 18601 hier aus: Heimat am Inn, Jahrbuch des Heimatvereins e. V. für Wasserburg am Inn und Umgebung, Bd. 30 /31, Wasserburg a. Inn 2011, S.156. Berarb.: Verf.

Die Ausstattung

Etwas weiter differenzieren lässt sich das Bild anhand der Ausgaben für die aufwändige Ausstattung, welche auch Rückschlüsse auf die Disposition der Räumlichkeiten zulässt. 1540 wurden z.B. das „Gemach ob dem Pad“, wie auch der Raum „vnnden vor dem Padch“, mit neuen Öfen versehen:

… khupferschmit vmb … khupfer Zu
denn wannen kösseln in das
padt Zu Rinnen Rörn Knopfen
vnd tägkhen auf di Mauer ge- |braucht
mer vmbEisen Plech Zu dem padoffen
 
Maister Micheln hafner
vmb drey offen New
in dem gemach ob dem Pad
vnd vnnden vor dem Padch
Maister Jacoben pilthauer
von xviii wappen Ze- | schneiden
 
… Zwo Neu gros | pipen …
vnd vmb iii zinen schraufen
in die wannen vnd khessl
in das padt[8]

Der Umstand, dass das Badehaus mit mehreren Öfen bzw. Feuerstellen ausgestattet war, und damit mindestens einen Kamin besessen haben muss, ermöglicht es, die Zuordnung in der Ansicht von 1585 etwas einzugrenzen. In Frage kommt damit vor allem der mittige Anbau im Süden, in etwa an der Stelle des heutigen Aufzugturms, dessen prominenter Kamin mit Rauchfahne wiedergegeben ist. (Vorstellbar, doch weniger wahrscheinlich, ist auch ein Anschluss des Bades an den neuen Trakt zwischen Schloss und Turm, da hierin ebenfalls Kamine vorhanden waren. Weiterhin sind die Vorbauten südwestlich am ehemaligen Turm noch in die Überlegung einzubeziehen, sowie der kleine Überbau am Abgang zum Weinberg, südlich vom kaminbesetzten Vorbau, wobei jedoch an diesen beiden Bauten auf der Ansicht kein Kamin auszumachen ist. (vgl. Abb.) )

Neben „v thür für ettlich Zimer vnnd | haimliche gemäch“ wurde außerdem der Kistler [=Schreiner] Jörg für „ain öschen [= Eschenholz] tüsch in das | pad“ entlohnt,[9] an anderer Stelle werden „zween padschamel[10] genannt. Die im Quellenzitat erwähnten 18 Wappentafeln, die der Bildhauer Meister Jacob zu schnitzen beauftragt wurde, erscheinen zunächst ein für ein Badehaus recht kurioses Ausstattungsdetail. Erklärung liefert die z.B. in Badeordnungen überlieferte Sitte, (s)ein Wappen nach dem Besuch eines  (öffentlichen) Badehauses zu hinterlassen. Diese Ordnungen und speziell die Wappenthematik wiederum gehen auf alte Traditionen zurück: „Nach dem ungeschriebenen Baderecht des Mittelalters mussten die Waffen vor dem Eintritt ins Bad abgegeben werden. Die Schilde wurden außen an der Herberge [oder dem Bad] aufgehängt. Der Stadtbrand Wildbads [bis heute Kurstadt im Schwarzwald] 1525 soll durch die Holzschilde der adligen Badegäste an den Fassaden der Herbergen zustande gekommen sein.“[11]

Vergleichbare Badeanlagen in zeitgenössischen weltlichen und geistlichen Fürstensitzen

Auf der Suche nach mit der Wasserburger Anlage vergleichbaren zeitgenössischen fürstlichen Badehäusern hat sich vor allem der Aufsatz „Decorum balneorum. Zur Kontextualisierung von Altdorfers ‚Kaiserbad’ im Regensburger Bischofshof“ von Nicole Riegel(-Satzinger) als wertvoll erwiesen,[12] worin auch auf die „Genese der Badestube im fürstlichen Bau der frühen Neuzeit“ eingegangen wird.

Regensburg

In dem von Fürstbischof Johann III. aus der Pfälzer Linie des Hauses Wittelsbach in Auftrag gegebenen Regensburger Bad (um 1532, jedoch sicher vor 1538, dem Todesjahr sowohl Johanns III. als auch Altdorfers) ist von einem eingeschossigen Gebäude mit zwei Räumen von ca. 3 x 5 m auszugehen. Die Zweiräumigkeit ergibt sich aus der „zeitüblichen Kombination von Badestube und ‚Abziehstube’.“[13] Riegel nennt als Referenzbeispiel die Abziehstube der Veste Coburg, wo 1519 eine Badestube nebst „awßziehe stueblein“ eingerichtet wird.[14] Eine ebensolche wird auch in den Wasserburger Rechnungen erwähnt, 1543 setzt ein Hafner „ain Neue gren offen in aine abZiechstubel“[15], der womöglich der oben für 1540 genannte Raum „vnnden vor dem Padch“ gleichkommt, und damit der zu reparierende Ofen einem der „drey offen New“ von der Hand des „Maister Micheln hafner“, wobei durch die Umschreibung im Quellenzitat von 1540 zudem die Mehrgeschossigkeit des Badehauses belegt wird („gemach ob dem Pad | vnd vnnden vor dem Padch“).

Was den Grundriss solcher Badeanlagen angeht, handelte es sich meist um sehr einfache Konzepte, musterhaft wiedergegeben etwa bereits im Klosterplan von St. Gallen. Oft wurden Badeanlagen auch in bereits bestehende Strukturen eingebaut, wie auch in Regensburg, Wasserburg oder Neuburg am Inn.  Je nach Bedarf wurde dann oberhalb des in der Regel zweiräumigen Erdgeschosses (ein) zusätzlicher Raum aufgestockt. Insgesamt erklärt diese Ausgangslage mitunter, warum von den Anlagen selten aufgehende Mauerwerksstrukturen erhalten bzw. eindeutig einem Bad zuzuordnen sind.

bad-st-gallen-grundriss
Grundriß eines Badehauses der Schüler aus dem 2. Bauriß des Klosters St. Gallen, 820. Nach der Faksimile-Ausgabe von Ferd. Keller, Zürich 1844. Quelle: http://www.rdklabor.de/wiki/Datei:01-1375-2.jpg

Landshut & Neuburg am Inn

Wie Riegels Untersuchungen belegen, waren vergleichbare Bade-Anlagen in diversen fürstlichen Bauten, so auch im Umfeld Wilhelm IV., ‚en Vogue’: am Anfang der Liste steht die Burg Trausnitz, wo im 1495/96 datierten Inneren Torwartshaus mit kleinem quadratischen Turm ein sogenanntes Wildbad mit eigens angefertigter Einrichtung belegt ist. Den Inn abwärts gab es bei Schloss Neuburg am Inn ein ‚Wildbad’, das 1531 als dreiteilige Anlage in ein Rondell der ehemaligen Befestigungsanlage eingebaut und ein sehr aufwändig mit Terrakottadekor gestaltet wurde. Auch dort ist eine „Abziechstuben“ erwähnt.

neuburg-1676-ausschnitt-mark
Ansicht des Schlosses Neuburg am Inn 1676 rot markiert das ‚Wildbad‘ im ehem. Turm der umlaufenden Befestigung Ausschnitt aus einem Kupferstich von Johann Martin Lerch nach Zeichnung von Klemens Beutler anlässlich des Einzugs Eleonora Magdalena Theresias, Prinzessin von der Pfalz, als kaiserliche Braut in Neuburg am Inn. Original im ÖNB, Inv. Nr.: NB 608.008 – D
grundriss-neuburg
Grundriss (EG) von Schloss Neuburg am Inn 1868. Rechts unten / nordwestlich die dreiräumige Anlage des Wildbads. Aus: GROESCHEL, Julius: Baugeschichtliche Forschungen über die Veste Neuburg am Inn, in: Bayerischer Heimatschutz. Monatsschrift des bayerischen Landesvereins für Heimatschutz, Verein für Volkskunst und Volkskunde in München, Denkschrift Veste Neuburg am Inn, Jg. 20, Nr. 1, München 1924, S.36.

Auch in Schloss Neuburg an der Donau war ein Bad im Erdgeschoss über eine Wendeltreppe mit den fürstlichen Gemächern in Ottheinrichs Neuem Bau von 1534/38 verbunden.

Salzburg

Weitere kirchliche Auftraggeber von Badeanlagen sind bekannt, etwa in Passau mit dem um 1600 von Bischof Christoph Schachner im Neubau der Veste Oberhaus untergebrachten Bad, sowie in Salzburg, dort sind gleich zwei Anlagen erwähnt: im Bischofshof um 1540 sowie auf der Hohensalzburg um 1500. Das dreiräumige Bad auf der Hohensalzburg befand sich im Schlossgarten, mit Vorraum und einem „Stübl“ darüber, was der überlieferten Situation in Wasserburg recht nahekommt.[16]

Vergleichsbeispiel:  Bad der Philippine Welser auf Schloss Ambras in Tirol

Anschauliches Vergleichsbeispiel, wenn auch einige Jahre jünger, dennoch aber der gleichen Entwicklung zuzurechnen, ist das Bad der Philippine Welser auf Schloss Ambras in Tirol. Als eine der wenigen erhaltenen Anlagen des 16. Jahrhunderts stellt es „eine kulturgeschichtliche Rarität dar. Die Wanne darf jedoch nicht allein gesehen werden, sondern mit dem Schwitz- und Heizraum sowie dem Ruheraum als Einheit wahrgenommen werden.“ Die dortige „Abziehstube wurde 1567 mit Holz vertäfelt und darüber mit einem umlaufenden Fries in Freskomalerei geschmückt. Als Vorlagen dienten Badedarstellungen von Albrecht Dürer, Virgil Solis, Hans Sebald Beham und Georg Pencz aus der Sammlung von rund 5.000 Kupferstichen und Holzschnitten Erzherzog Ferdinand II.“[17]

schloss_ambras-_interior_-_009

schloss_ambras-_interior_-_007

ambrass-bad
Blick in die Badestube der Philippine Welser auf Schloss Ambras in Tirol, um 1567 (Datum der Vertäfelung des Umkleideraums / Abziehstube) Die Badesezenen der Fresken folgen Darstellungen Albrecht Dürers, Virgil Solis‘, Hans Sebald Behams und Georg Pencz‘, und dürften in der ca. 5000 Stiche und Schnitte umfassende Sammlung Ferdinand II. zurückgehen. Bildquelle: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 at , author: Shesmax .

Vor allem hinsichtlich der Keramikfunde des 16. Jahrhunderts ist auch die beim Heilig-Geist-Spital in Crailsheim entdeckte Badestube erwähnenswert, wo sich wiederum Parallelen zur Machart der Ausstattung des Bads in Neuburg am Inn ergeben.

crailsheim_ofenkachel

crailsheim-badstube
Bruchstück einer Ofenkachel des 16. Jh. und Blick in der Badestube beim Heilig-Geist-Spital Crailsheim Quelle: http://www.museum-crailsheim.de/abteilungen/mittelalterliche-badestube/

Badehäuser entfernterer Herrschaftsgebiete

Auch in vom Ausgangsgebiet weiter entfernten Herrschaftsgebieten gibt es diverse Hinweise auf neu errichtete zeitgenössische Badehäuser, wie z.B. das „lustbad“ im Neuen Bau in Halle unter Kardinals Albrecht von Brandenburg  um 1532/33.[18] Beim Marburger Schloss wurde im Kontext des landgräflichen Ausbaus ein Badehaus eingerichtet. Die Arbeiter erhielten hier vom Baumeister Hans Jakob von Ettlingen Anordnungen,[19] dem Zeit – und Berufsgenossen Ulrich Pesnitzers, der wiederum auf wittelsbachischem Gebiet unter Herzog Georg von Bayern-Landshut die Nebenresidenz Burghausen ausbaute. Ob auch Badehäuser unter Pesnitzers Aufgabenbereich fielen, sei hier einmal dahingestellt, doch auch für Burghausen findet sich in einem Inventar der Burg 1535 eine Formulierung, die nicht nur belegt, dass auch dort eine Badeanlage geschaffen worden, sondern auch das Thema Bad ein wichtiger Aspekt was Wohnkultur bzw. Komfort beim Aufenthalt in der jeweiligen Reisestation war:

… item alls mein gnediger
herr herzog Wilhelm iv sambt
seiner gemahl
meiner gnedigen frauen
auch herzog Otthainrichen
anno 35 erstemalls al-
hie gewest sein den 30ten
augusti hab ich auf bewehl
meiner gnedigen frauen | …zerschunden
lassen sechs stugke lein-
vat lautt der register
daraus sein gemacht zwei
grosse panncktuchen ins
pad vber die frei pennck
vnd den podn herab mer
zum padwandt zwei pad-
tucher vnd handt-
tucher auch ainen padstuchs
zu obgemelltem padgewand[20]

Besonders gut fügt sich hier ins Bild, dass mit Wilhelm IV. auch der Bauherr des Wasserburger Badehauses genannt wird. Zudem war das Herzogspaar hier in Begleitung des Bauherrn des oben erwähnten Bades von Neuburg an der Donau. Der Aspekt der Reise verweist sowohl auf die auf langer Tradition[21] begründete Geste bzw. gar Gastgeberpflicht, dem weitgereisten Gast eine Bademöglichkeit zu bieten.[22] Dieser Aspekt scheint neben Repräsentativität und Modernität auch in Wasserburg eine größere Rolle bei der Konzeption des Badeshauses gespielt zu haben. Denn wenn die Gesamtanlage der Burg Wasserburg in erster Linie als Verwaltungszentrale des umliegenden Gebiets diente, war das Schloss mit angrenzenden Außen- bzw. Gartenflächen nicht nur Amtssitz des Pflegers, sondern auch beliebte Reisestation für den Herzog selbst, Familienmitglieder oder hoch- bzw. sogar höchstrangige Gäste. (Zu letzteren gehörte auch einige Male der Kaiser selbst – die für Wasserburg seit dem 13. Jahrhundert belegbaren Kaiserbesuche sind potentielles Thema eines weiteren Beitrags und daher hier nicht weiter ausgeführt.) Spätestens seit Neu- und Ausbau des Schlosses und angrenzendem Areal konnte Wasserburg nun zusätzlich zur vorteilhaften Lage am Knotenpunkt der Verkehrswege zu Wasser und zu Land auch eine Unterkunft von fürstlichem Anspruch vorweisen. Die aufwändigen Maßnahmen dürften also teilweise auch aus ‚Eigennutz’ des Herzogs heraus entstanden sein.

Ein damals wie heute höchst nachvollziehbarer Gedanke. Umso mehr in der aktuellen Jahreszeit, wie es auch schon der ‚Stricker’ gekonnt in bildhafte Worte fasste – warum sich also nicht gleich mal ein Beispiel nehmen:

    und sich wandelent die winde;
    des heizte daz gesinde
    die batstuben alle tage. […]
    ê daz der sumer ende nam,
    und der calt winder quam,
    und daz die fliegen verflugen
    und in die stuben niht enzugen.[23]

hausbuch_wolfegg_18v_19r_badehaus
‚Das Badehaus‘, Stich des Hausbuchmeisters, um 1480. Quelle: Wikimedia Commons, CC-0

Literatur

Bitz, Matthias: Badewesen in Südwestdeutschland 1550 bis 1840. Zum Wandel von Gesellschaft und Architektur, Idstein 1989

Groeschel, Julius: Baugeschichtliche Forschungen über die Veste Neuburg am Inn, in: Bayerischer Heimatschutz. Monatsschrift des bayerischen Landesvereins für Heimatschutz, Verein für Volkskunst und Volkskunde in München, Denkschrift Veste Neuburg am Inn, Jg. 20, Nr. 1, München 1924, S. 5-91

Kiby, Ulrika: Bäder und Badekultur in Orient und Okzident. Antike bis Spätbarock, Köln 1995

Riegel, Nicole: Decorum balneorum. Zur Kontextualisierung von Altdorfers ‚Kaiserbad’ im Regensburger Bischofshof, in: In Situ. Zeitschrift für Architekturgeschichte, Bd. 7, Worms 2015, S. 77-90

Riegel, Nicole: Hohensalzburg unter Leonhard von Keutschach und Kardinal Matthäus Lang von Wellenburg: Fortifikation und Repräsentation 1495 – 1540, in: Lieb, Stefanie (Bearb.): Burgen im Alpenraum (= Forschungen zu Burgen und Schlössern Bd. 14), Petersberg 2012, S. 95-109

[1] März, Magdalena: Die Bauprojekte von Kasten und Schloss der Burg Wasserburg am Inn unter Herzog Wilhelm IV. von Bayern in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Raumbezüge in und zwischen Architektur und Territorium, Masterarbeit im Fach Kunstgeschichte an der LMU München im Sommersemester 2016, bei Prof. Dr. Stephan Hoppe.

[2] Aus der Bestallungsurkunde 1540: „…demwolgebornnen unseren Schwager, Rat vnnd lieben getreuen, Wolfen Graven Zu Oting, aus sondern genaden, vnnd vmb seiner vnnderthenigen dienste willen, die er vnns Zu genedigem vnnsern gefallen gethan hat, vnnd furohm zuthun erbutig ißt, vnnd seiner Gemahel, vnnserer lieben Muemen frauen Margareten, gräfin Zu öting, vnnd gebornnen Marggrävin Zu Baden, Zu sonnderer freundtschafft, Ir beeder lebenlanng, vnnsere Zwo phlegen vnnd Gricht, Zu Wasserburg, vnd Cling“ BayHStA, Kurbayern, Nr. 14518. Graf Wolf von Oettingen (1511 – 1572/73) heiratete 1538 Margarethe von Baden-Durlach, eine Cousine der Herzogin Jacobäa, und ebenfalls Markgrafentochter. BayHStA, Personenselekt Cart. 272, Oettingen. Tatsächlich scheint Wilhelm mit seiner Entscheidung für Jacobäa einen regelrechten Trend ausgelöst zu haben, denn 1541 heiratete auch Ladislaus von Frauenberg, Herr der nördlich von Wasserburg gelegenen Grafschaft Haag, mit Salome von Baden eine Schwester Margarethes bzw. weitere Cousine Jacobäas. Die hier zitierte in vieler Hinsicht interessante Signatur enthält detaillierte Beschreibungen der Feierlichkeiten der beiden Hochzeiten 1538 und 1541, inklusive den bei den diversen Festmählern aufgetischten mehrgängigen Menus sowie der Sitzordnung und Beherbergung der Gäste, und erwähnt u.a. die Anwesenheit Wilhelms IV. bei der Hochzeit Ladislaus’ in Haag.

[3] StA M, Kurbayern Hofkammer, Ämterrechnungen M, 9261, f. 46 r. Alle im Staatsarchiv gesichteten Rechungen sind auf Mikrofilm einsehbar, so dass sich die nachfolgenden Quellenzitate auf die Folioseiten in den Filmen beziehen und nicht der der Originale entsprechen. Aus diesem Grund wurde nicht die übliche Paginierungsangabe recto / verso verwendet, sondern die Doppelseiten mit l (links) und r (rechts) gekennzeichnet.

[4] StA M, Kurbayern Hofkammer, Ämterrechnungen M, 9259, f. 32 r- 33 l.

[5] Bei Hans Renner handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um den Vater des Augsburger Malers Narziß Renner, der den sogenannten Augsburger Geschlechtertanz fertigte und als Buchmaler für den Augsburger Patrizier Matthäus Schwarz und Wilhelm IV. Schwester Susanna von Bayern tätig war. Da Hans Renner bisher nur bis 1517 urkundlich nachvollziehbar ist, könnte es sich bei seiner Erwähnung in Wasserburg entweder um eine Erweiterung der bisher bekannten Daten oder um einen anderweitig Verwandten Narziß Renners, z.B. einen Bruder handeln. Vgl. Stolberg-Wernigerode, Otto zu: Neue deutsche Biographie, Bd. 21, Berlin 2003, S 433, Digitalisat: http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00016339/image_447 ; sowie Bartl, Anna: Der „Liber illuministarum“ aus Kloster Tegernsee, Stuttgart 2005, S. 32, Digitalisat: https://books.google.de/books?id=MBoMZkI1Gc4C&lpg=PA32&ots=5tv4OiMatq&dq=hans%20renner%20augsburg%20maler&hl=de&pg=PA33#v=onepage&q=hans%20renner%20augsburg%20maler&f=false , Zugriff jeweils: 7.11.2016.
[6] StA M,Kurbayern Hofkammer, Ämterrechnungen M, 9263, f. 36 r.
[7] StA M,Kurbayern Hofkammer, Ämterrechnungen M, 9182, f. 98 r.
[8] StA M,Kurbayern Hofkammer, Ämterrechnungen M, 9259, f. 46 l.
[9] StA M,Kurbayern Hofkammer, Ämterrechnungen M, 9259, f. 46 l.
[10] StA M,Kurbayern Hofkammer,Ämterrechnungen M,9259, f.10 r.
[11] Bitz, Matthias: Badewesen in Südwestdeutschland 1550 bis 1840. Zum Wandel von Gesellschaft und Architektur, Idstein 1989, S. 76.
[12] Riegel, Nicole: Decorum balneorum. Zur Kontextualisierung von Altdorfers ‚Kaiserbad’ im Regensburger Bischofshof, in: In Situ. Zeitschrift für Architekturgeschichte, Bd. 7, Worms 2015, S. 77-90.
[13] Riegel, 2015, S. 81.
[14] Riegel, 2015, S. 82, Anm. 36, zitiert nach Ebhardt, Bodo: Deutsche Burgen, Erster Halbband, Berlin 1898, S. 143.
[15] StA M, Kurbayern Hofkammer, Ämterrechnungen M, 9266. Diese Signatur enthält mit Buchstaben gekennzeichnete Handwerker – Zettel / Rechungen des Jahres 1543, darin der Zettel des Hafners markiert mit N.
[16] Riegel, 2015, S. 84.
[17] Info der offiziellen Webpräsenz Museum Schloss Ambras, Zweigstelle des Kunsthistorischen Museums Wien, URL (PDF): http://tourism.khm.at/fileadmin/content/TOURISMUS/downloads/Ambras_Innsbruck_Fremdenfuehrer_DE.pdf , S.40; vgl. auch: http://www.schlossambras-innsbruck.at/entdecken/das-schloss/das-bad-der-philippine-welser/ ; Zugriff jeweils: 18.10.2016.
[18] Riegel, 2015, S. 83.
[19] Gutbier, Reinhard: Der landgräfliche Hofbaumeister Hans Jacob von Ettlingen, Bd. 1: Textteil, Darmstadt u.a. 1973, zugl.: Marburg Univ. Diss. 1969, S. 7.
[20] StAM, Regierung Burghausen, Nr. 445, f. 5l – 6r. Die Verfasserin dankt Christa Syrer M.A., LMU München, herzlich für die Zurverfügungstellung der Transkription.
[21] Eine der, wenn nicht gar die früheste Erwähnung einer mittelalterlichen Badestube findet sich in der Dichtung „Der nackte Bote“ des als Stricker bekannten Dichters, tätig ca 1220 – 50 im Raum Bayern – Böhmen – Niederösterreich. Passenderweise darin im Kontext eines adligen Reisenden, der seinen Boten vorausschickt um sich in der Unterkunft ankündigen zu lassen, wo dieser den Hausherren in der Badestube antrifft. Text als PDF online unter http://www.mhdwb-online.de/Etexte/PDF/StrKd.pdf , S. 352 ff.; Zugriff: 17.10.2016. Die Verfasserin dankt Dr. Thomas Kühtreiber, IMAREAL Krems, für den Hinweis auf diesen Text.
[22] Riegel, 2015, S. 84.352 ff.
[23] vgl. Anm. 21.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Close