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Hofzeremoniell 1500–1800, Teil II: Zeremoniell des Kaiserhofes

Hofzeremoniell 1500–1800, Teil II: Zeremoniell des Kaiserhofes

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Mark Hengerer //

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er Hof war Treffpunkt von Personen mit unterschiedlichen Merkmalen, die über Differenzierung bzw. Rang entschieden: Lebensalter, sex bzw. gender, Gestalt/Herkunft im weitesten Sinne/Konfession/biographisch zugerechnete Ereignisse (z.B. militärische Erfolge) usw. Die Geltendmachung dieser Merkmale war bei Hof dadurch bedingt, dass dieser zum einen der Bereich eines vom Herrn gestaltbaren Sonderrechtes, zum anderen aber weiteren Mechanismen unterworfen war, z.B. sonstigen Rechtssystemen, Gewalt, Macht, Geld, Liebe, Wahrheit und deren Antipoden. Zeremoniell war so ein Element im Differenzierungsprozess von Formalisierung/Informalisierung bzw. Semiotisierung/Verschleierung.

Dazu gehört zunächst der Zutritt bzw. die Präsenz von Personen. Am burgundischen und französischen Hof beispielsweise versahen zahlreiche Höflinge (etwa die Kammerdiener) ihre Ämter nur ein Quartal pro Jahr und hatten sich außerhalb dieser Zeit vom Hof zurückzuziehen. Der Kaiserhof dagegen hatte grundsätzlich das Ideal der ganzjährigen Bedienung (mit Urlaub). Die Dauer des Hofamtes aber variierte je nach Amt und Amtsinhaber stark. Bei vielfach besetzten Ämtern gab es auch rotationsähnliche Formen. Mit dem Wachstum des Hofes verstärkten sich Figurationen punktueller Präsenz. Vieles indes ist hier noch unerforscht.

Johann Cyriak Hackhofer, Johann Andreas Pfeffel, Christian Engelbrecht: Erbhuldigung für Joseph I (1678-1711) in der Ritterstube der Wiener Hofburg, 1705.

Weiter ging es um die Option Latenthalten vs. Sichtbarmachen differenzierender Merkmale und Medien. Außereheliche Sexualität und persönliche Vorlieben (Schönheit) verwies der Kaiserhof in den Bereich des Unsichtbaren, anders als der französische Hof. Auch das Differenzierungspotential des Geldes verwies der Kaiserhof grundsätzlich in den Bereich des Informellen: er kannte keinen formellen Ämterkauf und eröffnete relativ armen Adeligen Karrieren. Sichtbarkeit zog die zumindest situative Formalisierung und Hierarchisierung nach sich: der Hof monopolisierte Gewalt (Wachen, Regeln über Waffentragen, Duellverbot) und überwachte neben den Toren besonders die zeremoniell bzw. symbolisch sensiblen Türen im Raumhierarchiebereich der Vorzimmer.

Zugangsordnung, Hierarchisierungen

Seit dem späteren 16. Jahrhundert lassen sich mehrere Vorzimmer vor dem kaiserlichen Wohnbereich nachweisen. Diese sind mit Ratstube, Vorzimmer (Antecamera), Ritterstube, Wachstube noch unzureichend beschrieben, denn die Funktion der Räume war veränderlich: das Hineintragen von Sitzgelegenheiten machte anfänglich ein Vorzimmer zur Ratsstube. Das Möblieren mit einem einfachen Tisch machte ein Vorzimmer zur Audienzstube. Die Ausstattung mit Tapisserien, Thron, Baldachin, sonstigen Möbeln erfolgte je nach Situation.

Johann Cyriak Hackhofer, Johann Andreas Pfeffel, Christian Engelbrecht: Die kaiserliche Tafel in der Ritterstube der Wiener Hofburg, 1705-

Der Kaiserhof gewährte hoffähigen Personen regelmäßigen Aufenthalt in der Nähe des Herrschers, aber er beschränkte diesen auf die Vorzimmer. Für die Zuteilung auf die hierarchisierten Räume wurden aus der Mannigfaltigkeit der verschiedenen Personenmerkmale nur wenige Klassen herausgegriffen: vorzüglich die Ränge und Funktionen im kaiserlichen Hofstaat einschließlich der verschiedenen Rats- und Verwaltungsgremien, im kaiserlichen Militär, in der Landesverwaltungen sowie die Adelsränge innerhalb und außerhalb der Erbländer. Analogien zwischen Hierarchiestufen des Hofstaats und dieser Raumordnung sind ebenso nachweisbar wie konvergierende Tendenzen bis hin zu symbolisch-zeremoniellen Aspekten der Hofbesoldung, also eine Tendenz zur Transitivität rangkonstituierender Merkmale.

Bemerkenswert ist die Rolle der Raumhierarchisierung für die Ausbildung diplomatischer Ränge. Die Kaiser gewährten jenseits dieses Systems nach ihrem Belieben bestimmten Personen Zutritt. Die erste erhaltene Verschriftlichung des Zugangssystems als Norm entstand unter Ferdinand III. und wurde unter fast allen Nachfolgern adaptiert bzw. reformiert: dies wurde als nötig erachtet, da Zutritt begehrt war und die Türhüter nicht alle Nichtberechtigten abzuweisen vermochten. Die Aufwartenden erfüllten häufig nicht die Erwartungen an ihr Verhalten, das die kaiserliche Majestät reflektieren sollte: vernehmbare Gespräche, Spiele, Herumspazieren sollten nicht sein, waren aber häufig.

Johann Cyriak Hackhofer, Johann Andreas Pfeffel, Christian Engelbrecht: Erstes und zweites Vorzimmer der Kaiserinwitwe (Eleonore Magdalene Therese von Pfalz-Neuburg, 1655-1720) in der Wiener Hofburg, 1705.

Diese Form der Gruppenhierarchisierung in verschiedenen Räumen war relativ konfliktarm, denn die Zuweisungskriterien waren komplex und innerhalb der Räume gab es informell bzw. individuell gesteuerte Mobilität. Zu Rangkonflikten kam es vor allem dann, wenn Körper in Bewegung kamen und polydimensionale Raum-Relationen als binäre Codierung von Vor–Nach gelesen wurden: u.a. beim Gang der Aufwartenden zur Kapelle oder beim öffentlichen Einzug der Botschafter. Für Prozessionen und prozessionsartige Züge legten die Kaiser, soweit ihr Recht dafür anerkannt wurde, nötigenfalls Ränge fest. Auch Sitzordnungen in Kirche und Theater wiesen hohen Regelungsbedarf auf, mit Rücksicht etwa auf Sondermerkmale wie Goldenes Vlies oder Fürstenrang. Entscheidungen in zeremoniellen Konflikten wichen Kaiser gern aus oder stellten unausweichliche Entscheidungen als Aufrechterhaltung bzw. Anwendung alter anerkannter Ordnungsprinzipien wie z.B. Anciennität dar.

Zugang zum Kaiser und zu den kaiserlichen Vorzimmern war mit Einflusschancen verknüpft. Audienzen, vor allem von Personen, die nicht häufig Zugang hatten, dienten spätestens seit dem 17. Jahrhundert vornehmlich der performativen Thematisierung von Anliegen, die der Kaiser seiner Verwaltung als Aufgabe anheimgeben sollte und wurden zur Übergabe von Bittschriften. Die Papierströme differenzierten sich so stark aus, dass die Regierungsfunktion von der Zugangsordnung nicht mehr wesentlich abhing. Josef II. konnte diese (insofern wohl weitestgehend folgenlos) lockern.

Zeremoniell als Verwaltungsverfahren

Zeremoniell war ein eminent wichtiges Element bei der Entstehung kaiserlicher Entscheidungen, es läßt sich gar als Verfahren verstehen. Im Geheimrat der Kaiser galten im 17. Jahrhundert für die Reihenfolge des Eintritts in die Ratsstube, für die Sitzordnung und für die Reihenfolge Wortmeldungen unterschiedliche Rangfolgen, was v.a. die Geltendmachung von Erfahrung begünstigte bzw. den Adelsrang zurückdrängte. Angelegenheiten, die dem Kaiser aus den Verwaltungen bzw. aus der Justiz (z.B. Hofkammer, Hofkriegsrat, Landesverwaltungen, Reichshofrat) zur Entscheidung vorgelegt wurden, hatten ein komplexes Verfahren durchlaufen, das, je nach Hierarchietiefe unterschiedlich viele schriftliche Vorlage(n) und mündliche Beratung(en) in Gremien hintereinander schaltete. In den Beratungen kam aufgrund der Regeln zu Sitz- und Redeordnung besonders Amtsanciennität zur Geltung (formale Qualifikation und ständischer Rang wurden durch Regeln über die Partizipation von Gelehrten- und Adelsbänke balanciert).

Die schriftlichen Vorlagen prämierten Sachnähe, Normorientierung, Präzedenzfall- bzw. Aktenkenntnis. Behördenkooperation wurde zeremoniell besonders aufwendig organisiert, mit Entscheidungen etwa zum Ort der Zusammenkunft (z.B. gemeinsame Hofkammer- und Hofkriegsratsberatungen in der Hofkammer) und zur Sitzordnung. Texte reflektierten in Argumentation und Form den Interaktionsraum ihrer Erörterung und waren so selbst Teil des Zeremoniells. Der Inhalt der schriftlichen Vorlagen, die oft einen gewissen Entscheidungsfreiraum vorzeichneten, entsprachen meist der abschließen kaiserlichen Entscheidung. Die Interaktion in Gremien und Audienzen gab dem schriftlichen Verwaltungsverfahren weniger einen Inhalt vor, sondern vielmehr der Entscheidung etwas mit: eine Geschichte situativ angereicherter Autorität.


Literatur

Im Folgenden wird aus Platzgründen vorwiegend neuere Literatur angegeben, welche die ältere erschließt. Zum Einfluß des burgundischen und sogenannten spanischen Zeremoniells HOFMANN 1985, PARAVICINI 1991, HOFMANN-RANDALL 1995. Der mitunter vereinfachend als „spanisch“ bezeichnete Einfluß basierte auf intensivem Austausch der verschiedenen habsburgischen Linien und betraf die gesamte Hofkultur („Spanien“: SOMMER-MATHIS 2001, SELLÉS-FERRANDO 2004; Innsbruck: WEISS 2005, BUZEK 2009; Graz: ROTTENSTEINER 2006, PEINLICH 1870). Die europäische Dimension der habsburgischen Hofkultur erfassen am besten VOCELKA/HELLER 1997, DIES. 1998, u.a. deshalb, weil sie einen langen Zeitraum überblicken. Dies tut auch DUINDAM 2003 in seinem Vergleich von Habsburgern und Bourbonen. Andere versuchen, die aus großer Materialfülle und mangelnder Grundlagenforschung resultierenden Schwierigkeiten durch die Konzentration auf einzelne Regentschaften zu lösen (PONS 2000 zu Leopold I.; PEČAR 2003 zu Karl VI.).

Zahlreiche für die Zeremonialgeschichte einschlägige Beiträge widmen sich der räumlichen Dimension (PARAVICINI 1997) und kunstgeschichtlichen Problemen. Neben der Residenz Wien (POLLEROSS 2000) sind Nebenresidenzen zu beachten (POLLEROSS 1998). Zu Prag siehe bes. Kat. Prag um 1600: 1988, MUCHKA 1989/90, FUČÍKOVÁ 1997, LARSSON 2000, MAŤA 2002, LOUTHAN 2008. Bzgl. der Wiener Hofburg sind hervorzuheben Raumnutzungsanalysen: Raschauer 1958, GRAF 1997, BENEDIK 1997 und DERS. 1997. Mit Spannung erwartet wird der Abschluß der Publikationen des „Hofburgprojekts“ der ÖAdW. Für das religiöse Zeremoniell besonders bedeutsam sind Beiträge zu Augustinerkirche und Loretokapelle (WOLSGRUBER 1886, WOLFSGRUBER 1888). Den Forschungsstand zur auch zeremoniellen Einbindung von Kunstsammlungen erschließt POLLEROSS 2010a. Für die ephemere Rahmung von Zeremonien erhellend sind Forschungen zur textilen Ausstattung (u.a. FRANKE 1995). Zur medial vermittelten Vertretung im Zeremoniell POLLEROSS 1995.

Recht gut untersucht sind Übergangsriten der Habsburger wie Tod und Bestattung mitsamt der zugehörigen künstlerischen Produktion (BRIX 1973, Hawlik-van de WateR 1989, SCHEMPER-SPARHOLZ 1996, HENGERER 2007b, KNEIDINGER/DITTINGER 2007, LAURO 2007, STANGL 2010). Für die Renaissance sehr gut untersucht sind Hochzeitsfeste (Vocelka 1976). Krönungen werden nur teilweise durch Hofzeremoniell im engeren Sinne gestaltet, durch dieses aber geformt und auch weiter gefeiert (vgl. WANGER 1994, SOMMER-MATHIS 2006). Für das Verständnis des kirchlichen Zeremoniells der Habsburger bleibt CORETH 1982 grundlegend. Eine Analyse des kirchlichen Zeremoniells im 18. Jahrhundert bietet KOVÁCS 1979. Das Gründonnerstagszeremoniell untersucht SCHEUTZ 2005, Marien- und Pfingstfeste LANG 2006, Tauffeierlichkeiten STÖCKELLE 1982 und KUBISKA 2006, Fronleichnamsprozessionen SCHEUTZ 2006. Prozessionen im Rahmen religiöser Feiern legten oftmals Elemente der Rangordnung des Hofes offen.

Das diplomatische Zeremoniell wird seit der Frühneuzeit mit verschiedenen Fragestellungen teils minutiös analysiert. Die zeitgenössischen zeremonialwissenschaftlichen Autoren erschließt VEC 1998. Einen Überblick zu Wien gibt MA/PSARAKIS 1996, eine lesenswerte Anthologie ist LUNZER/LUNZER-TALOS 1997. Zum Zeremoniell des Nuntius MEISTER 1891, GARMS-CORNIDES 2006, zur moskowitischen Großbotschaft von 1679 KÖRBL 2007. Zum Zeremoniell der kaiserlichen Vertreter beim Immerwährenden Reichstags und am Papsthof um 1700 (POLLEROSS 2010b). Exemplarisch für das kaiserliche Zeremoniell bei Aufenthalten in Reichsstädten ist der reiche Band zu Regensburg (MÖSENEDER 1986). Ein ähnlicher Band zu Augsburg ist ein Desiderat der Forschung. Das Zeremoniell der Hof- und Reichstage ist wie das Krönungszeremoniell ein Konkurrenz- bzw. Konvergenzfeld und lohnt weitere Forschung; grundlegend STOLLBERG-RILINGER 1997. Reisen war ein mitunter bereits zeitgenössisch aufwendig publiziertes Instrument des auch performativen Regierens (vgl. MILLER 1967). Das Zeremoniell des Einzugs der österreichischen Habsburger ist erst in Ansätzen erforscht (MÖSENEDER 1986, STOLLBERG-RILINGER 2008); dass das Gelingen zeremonieller Akte davon abhängen kann, daß Herrscher und ihre Gefolge für ihre performativ mitgeteilten Ansprüche nötigenfalls mit Gewalt einstehen können, zeigt das (teils nur geplante) Zeremoniell heikler Überführungen verstorbener Habsburger (z.B. MAYR 1950).

Stark zeremonialisiert war der Zugang zu HabsburgerInnen. Zu den Zugangsregeln in den kaiserlichen Vorzimmern zuletzt HENGERER 2004b und Pangerl 2007. Abgestufter Zutritt bei Hof sowie u.a. die Sitz- und Redeordnungen im Geheimen Rat legten ebenso wie Prozessionen Elemente von Rangordnungen bei Hof offen (HENGERER 2001). Die Reichweite der Zeremonialisierung von Rang erfaßte gar die Höhe der Hofbesoldungen (Hengerer 2009). Die Folgen stark restringierten Zugangs mit der Folge des Kammerregiments unter Rudolf II. beleuchtet Noflatscher 2004. Das jeweilige Zugangszeremoniell ist für die Ausprägung der Rollen von Günstlinge grundlegend: HIRSCHBIEGEL/PARAVICINI 2004.

Die ausgefeilte repräsentative Festkultur, die oft an religiöse und/oder Übergangsriten geknüpft ist, untersuchen zahlreiche Beiträge in BERNS/RAHN 1995. Zum Fasching zuletzt SCHMÜCKER 2007 und SEITSCHEK 2007. Zu Formen des nachmaximilianeischen Turniers wären nähere Forschungen wünschenswert. Zur auch zeremoniellen Rolle des Ordens vom Goldenen Vlies WIELACH 2006 und STACHER-GFALL 2006, zu zeremoniellen Implikationen exemplarisch WINKELBAUER 1999 und BUZEK 2009. Musik und Oper am Kaiserhof ist ein ebenso beliebtes wie einschlägiges Forschungsgebiet. Grundlegend SEIFERT 1985, näher zu Toison-Opern: Dietrich 1974, mit einem weiten kulturgeschichtlichem Horizont u.a. Antonicek 1989 und Sommer-MathiS 1995.

Für das gewissermaßen ‚alltäglichere‘ Zeremoniell bedeutsam war die regelmäßige öffentliche Hoftafel. In der Forschung fanden bislang besonders Festtafeln Beachtung (BASTL 1995, OTTOMEYER/VÖLKEL 2002). Die Jagd ist noch wenig erforscht. Die sog. eingestellte Jagd war stark zeremonialisiert, andere Jagdformen weit weniger (vgl. JUST 2000). Zum kaiserlichen Lever HENGERER 2005. Eine eingängige Zusammenschau des Zeremoniells von Leopold I. bis Leopold II. bietet HUSS 2008.

Zeremonielle Aspekte von Gender sind erst in Anfängen untersucht (HIRSCHBIEGEL/PARAVICINI 2000). Im Mittelpunkt standen bislang Hofdamen (BASTL 1996, BASTL 2000, KELLER 2005). Zu Handlungsspielräumen anderer adeliger Frauen bei Hof exemplarisch PILS 2002.

Normierung und Beobachtung von Zeremoniell ist insgesamt noch ungenügend erforscht (vgl. VEC 1999). Die vorhandenen Beiträge sind vorwiegend quellenkundlich orientiert und/oder kreisen um das Hofzeremonialprotokoll (Koloch 1996, DUINDAM 2001, HENGERER 2004, PANGERL/SCHEUTZ/WINKELBAUER 2007).

Die konzeptionelle Diskussion des Hofzeremoniells kreiste zunächst um die Funktion des Zeremoniells für Herrschaft. In Anlehnung an Elias 11969 entfaltete Ehalt 1980 für den Kaiserhof die These der Funktionalität des Zeremoniells. In vergleichender Perspektive räumte BAUER 1993 dem Kaiserhof (auch) insofern eine Sonderrolle ein. Zur zeitgenössischen Diskussion über die Funktionalität des Zeremoniells Gestrich 1995, BAUER 1997, VEC 1998. Kritisch zur Funktionalität bzw. zu Dysfunktionalitäten KIESEL 1979, JAHN/RAHN/SCHNITZER 1998, PEČAR 2005. Wichtige semiotisch argumentierende Beiträge sind FRÜHSORGE 1984, BERNS/RAHN 1995, RAHN 2002, ZAKHARINE 2005, RAHN 2006. Begriffe wie „höfische Interaktion“ (KIESERLING 1999) bzw. „Offizielles“ (ATZMANNSDORFER 2007) wären für eine genauere Analyse weiter zu schärfen, denn die Beachtung von hof-internen und hof-externen rangbegründenen Merkmalen erfolgte im Zeremoniell selektiv und situativ (HENGERER 2007a). Neuere kulturwissenschaftliche Ansätze ermöglichen mit den Grundbegriffen Kommunikation und Medien einen Anschluß an die reiche semiotische Forschungstradition. Der integrative Begriff der Symbolischen Kommunikation (Stollberg-Rilinger 2004) hat ein kommunikationstheoretisches Fundament, dessen systemtheoretischer Hintergrund (v.a. LUHMANN 1993) bei der Analyse des kaiserlichen Hofzeremoniells genutzt wurde (HENGERER 2001 und 2009, SCHLÖGL 2004, weiterführend SCHLÖGL 2008). Eine Klassifizierung einschlägiger Ansätze bietet BAUER 2009.

Abschließend sei einerseits auf die herausragend wertvollen (auch online verfügbaren) Bibliographien der „Mitteilungen der Residenzenkommission“ hingewiesen: Hirschbiegel 2000, 2006, 2010, 2011. Die Zeitschrift Frühneuzeit-Info publiziert regelmäßig einschlägige Beiträge.


Prof. Dr. Mark Sven Hengerer ist Inhaber der Professur ‚Geschichte Westeuropas in der Frühen Neuzeit‘ an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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