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Die Wiederentdeckung der Renaissance-Apotheke auf Schloss Colditz

Die Wiederentdeckung der Renaissance-Apotheke auf Schloss Colditz

Rediscovering the Renaissance pharmacy of Colditz Castle

Abstract

In 1603, the dowager Electress Sophie of Brandenburg left the Saxon court at Dresden to move to her Witwensitz Colditz Castle. At Colditz, she had large parts of the former palace of Frederick the Wise (1517-1525) rebuilt. Sophie gave top priority to the construction of a new pharmacy. The records of the court’s financial administration describe this new pharmacy building in detail. Thus, we could show that the so-called “Beamtenhaus” (housing the Fluchtmuseum) is in fact Sophie’s pharmacy of 1603. The staircase of the new building connected the female living quarters with the newly established pleasure garden.

Als Kurfürst Christian I. von Sachsen 1591 verstarb, war seine Gattin Sophie von Brandenburg gerade 23 Jahre alt. Zusammen mit Friedrich-Wilhelm von Sachsen-Weimar übernahm sie die Regierung für ihren noch minderjährigen Sohn Christian II. Erst 1603, ein Jahr nach der Hochzeit Christians II. mit Hedwig von Dänemark, zog die Kurfürstinmutter mit ihrem Witwenhof nach Schloss Colditz um.

Andreas Riehl d.J.: Kurfürstin Sophie von Sachsen, Gattin Christians I., 1586/1600, Staatliche Kunstsammlungen Dresden (SKD), Inv.-Nr.: H 25 (Digitalisat Deutsche Fotothek).

Für Sophie von Brandenburg wurde Colditz, eine ehemalige Nebenresidenz Friedrichs des Weisen, zum Witwensitz umgebaut. Viele der Kostenvoranschläge und Berichte von der Baustelle liegen heute im Sächsischen Staatsarchiv in Dresden. Etwas ungewöhnlich mag die erste Anordnung der Kurfürstinwitwe erscheinen: Auf der zur Stadt hingewandten Seite sollte ein Apothekenbau entstehen.

Schloss Colditz, CAD Modell, 2012, author: JIHS.

Wie die Apotheke auszusehen hatte, wurde im Kostenvoranschlag genau festgelegt.[1] Der Bau sollte im unteren Zwinger stehen und die ersten beiden Geschosse sollten „dem apotheker zugebrauches“ gewölbt werden. Das dritte Geschoss sollte auf dem Niveau des hinteren Schlosshofes liegen und flache Balkendecken erhalten. Darüber befand sich im vierten Geschoss die Wohnung des Apothekers, bestehend aus einer beheizbaren Stube, einer Schlafkammer mit Abort, einer kleinen Küche und einem Vorsaal. Dieser Vorsaal diente dazu, „daß man auf dem gange, so von der unttern tafelstuben ufm kellerhauße nach dem sahle gesetzt“ vom Schloss in die Apotheke gelangen konnte. Die Wohnräume im fünften Geschoss waren für „krancke jungfrawen“ reserviert. Über die Wendeltreppe im Apothekenbau gelangte man in den unteren Zwinger, wo ein neuer Garten angelegt werden sollte.

Schloss Colditz, unterer Lustgarten mit ehem. Apotheke, Aufnahme: Christa Syrer, Februar 2015.
Schloss Colditz, unterer Lustgarten mit ehem. Apotheke, Aufnahme: Christa Syrer, Februar 2015.

Wo befand sich nun die von Sophie von Brandenburg in Auftrag gegebene Apotheke? In erstaunlicher Weise passen die Details der historischen Beschreibung auf das sogenannte „Beamtenhaus“ (heute Fluchtmuseum). Der Bau steht mit den unteren beiden Geschossen im genannten Zwinger (ehem. Lustgarten) und ist über den Gang zwischen Kellerhaus und Saal- und Küchenhaus mit dem Schloss verbunden. Im Saal- und Küchenhaus lagen im ersten Obergeschoss die „große Hofstube“ und darüber ein Saal. Das Gebäude wurde im 19. Jahrhundert durch einen Neubau von ähnlicher Größe ersetzt, aber auf Grundrissen des 18. Jahrhunderts ist die ursprüngliche Situation zu sehen. Auch die Wohnung des Apothekers ist hier noch vorhanden.

Schloss Colditz, Grundriss 1. OG nach einem Plan des 18. Jh., aus: Cornelius Gurlitt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau – und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. Amtshauptmannschaft Grimma, Dresden 1897, Taf. V.
Schloss Colditz, Grundriss 1. OG nach einem Plan des 18. Jh., aus: Cornelius Gurlitt, Beschreibende Darstellung der älteren Bau – und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. Amtshauptmannschaft Grimma, Dresden 1897, Taf. V.

Der neue Apothekenbau stand bei den „Anschlägen über die neuangeordneten Gebäude“ an erster Stelle – weit vor der neuen Kunstkammer der Kurfürstinwitwe. Seine Bedeutung zeigt sich auch in der schieren Größe des Baus, der mit seinem Schmuckgiebel zur Stadt hin ausgerichtet ist und die Westansicht des Schlosses seit 1603 prägt. Als „Landesmutter“ sorgten die Kurfürstinnen an der Seite ihrer Ehemänner für das wirtschaftliche, aber auch körperliche Wohlergehen ihrer Untertanen.[2] Diese Rolle führten sie auch im Witwenstand fort. Das Engagement für die Gesundheit des eigenen Hofes und der „Landeskinder“ findet seinen Niederschlag in der Korrespondenz der Fürstinnen über Hausmittel und Heilkräuter sowie dem Bestand an medizinischer Literatur in den Handbibliotheken.[3] Damit setzen die kursächsischen Fürstinnen und Witwen letztendlich ein römisch-antikes Rollenmodell fort. Schon auf kaiserzeitlichen Münzen finden sich die Portraits von Kaiserinnen in Verbindung mit der Personifikation „Salus“, dem Wohlergehen, deren Attribute von Hygieia, der Göttin der Medizin und Gesundheit, übernommen wurden.

Literatur

Essegern, Ute: Fürstinnen am kursächsischen Hof. Lebenskonzepte und Lebensläufe zwischen Familie, Hof und Politik in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Hedwig von Dänemark, Sibylla Elisabeth von Württemberg und Magdalena Sibylla von Preußen (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde Bd. 19), Leipzig 2007.

Schattkowsky, Martina (Hrsg.): Witwenschaft in der frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 6), Leipzig 2003.

Thiede, Regina: Schloss Colditz, Führer der Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen, Leipzig 2013.

[1] Sächsisches Staatsarchiv, 10036 Finanzarchiv, loc. 35818, Nr. 38, Rep. VII, ohne Folionummerierung.

[2] Bisher wurde in der Forschung vor allem Anna von Dänemark (1532–1585), Kurfürstin an der Seite Augusts von Sachsen, für ihre Förderung der Landwirtschaft und Pharmazie hervorgehoben. Siehe dazu u.a. Rankin, Alisha: Becoming an Expert Practitioner. Court Experimentalism and the Medical Skills of Anna of Saxony (1532–1585), in: Isis 98.1 (2007), S. 23–53 (http://www.jstor.org/stable/10.1086/512830, accessed: 09/01/2015 13:28).

[3] Dazu beispielhaft Das Bücherinventar der Elisabeth von Calenberg. Edition und Anmerkungen, hrsg. von Eva Schlotheuber und Gabriele Haug-Moritz unter Mitarb. von Anna Durwen, Eva Glaser und Stephanie Moisi. Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek, 2011 (http://diglib.hab.de/wdb.php?dir=edoc/ed000082&distype=start&pvID=start).

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