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Wie viel ist eine Prinzessin wert? Eheverträge und Witwenversorgung im Herzogtum Bayern-Landshut im 15. Jahrhundert

Wie viel ist eine Prinzessin wert? Eheverträge und Witwenversorgung im Herzogtum Bayern-Landshut im 15. Jahrhundert

Wer etwas über Witwen in Mittelalter und früher Neuzeit in Erfahrung bringen will (so wie ich), muss bei der Recherche weit vor der eigentlichen Witwenschaft der Frauen beginnen – nämlich bei der Eheschließung. Besonders Fürstenhochzeiten, wie die berühmte Landshuter Hochzeit zwischen Georg dem Reichen und der polnischen Prinzessin Hedwig Jagiellonica im Jahr 1475, begannen zunächst sehr unromantisch. Sobald die Eltern sich über die Details des politischen Bündnisses „Ehe“ einig waren, wurde eine „Eheverabredung“ aufgesetzt. Wichtigster Bestandteil dieser Verträge waren die finanziellen Rahmenbedingungen. Aus den Eheverträgen erfahren wir auch, welche Schlösser und Herrschaften den Fürstinnen bei Eintritt in die Ehe als Wittum bzw. Witwensitz verschrieben wurden.[i]

Burg Burghausen, Hedwigskapelle, Stifterrelief mit Georg dem Reichen und Hedwig von Polen (Foto: Stephan Hoppe 2016).
Burg Burghausen, Hedwigskapelle, Stifterrelief mit Georg dem Reichen und Hedwig von Polen (Foto: Stephan Hoppe 2016).

Die Eheverträge folgten in der Regel einem standardisierten Schema. Zuerst wurden die beteiligten Parteien aufgeführt, danach folgte die Höhe des Heiratsguts (Mitgift), das von den Brauteltern zu zahlen war. Als Herzog Heinrich der Reiche von Bayern-Landshut 1444 seine Tochter Elisabeth mit Graf Ulrich V. von Württemberg verheiratete, betrug das Heiratsgut 32.000 rheinische Gulden. Als sogenannte „Widerlage“ hatte Ulrich V. selbst ebenfalls 32.000 rheinische Gulden in die Ehe einzubringen. Ein Zusatzvertrag von 1445 listete auf, welche württembergischen Schlösser und Städte mit ihren Dörfern, Weinbergen und Zöllen Elisabeth verschrieben wurden.[ii] Aus diesen Einkünften konnte sie im Witwenfall ihren Lebensunterhalt und ihre Hofhaltung finanzieren.

Ulrich V. von Württemberg und seine drei Ehefrauen Margarete von Cleve, Elisabeth von Bayern-Landshut und Margarethe von Savoyen, Diptychon, 15. Jh., Landesmuseum Württemberg, Stuttgart.
Ulrich V. von Württemberg und seine drei Ehefrauen Margarete von Cleve, Elisabeth von Bayern-Landshut und Margarethe von Savoyen, Diptychon, 15. Jh., Landesmuseum Württemberg, Stuttgart.

Mit 64.000 Gulden Heiratsgut und Widerlage sowie zusätzlich 10.000 Gulden Morgengabe erfüllte diese Eheverabredung für Elisabeth von Bayern-Landshut und Ulrich von Württemberg offenbar die Norm solcher Verträge im 15. Jahrhundert. Denn auch als Elisabeths Bruder, Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut, 1474 seine Tochter Margarete in der sogenannten „Amberger Hochzeit“ an den späteren Kurfürsten Philipp von der Pfalz verheiratete, wurden diese Summen vertraglich vereinbart. Und auch Albrecht der IV. von Bayern-München verheiratete seine Töchter zum selben Preis.[iii] Mit einer Mitgift von 32.000 Gulden lagen die bayerischen Herzogstöchter damit weit über dem Durchschnitt von 18.833 Gulden, den Mathias Herz für den spätmittelalterlichen Hochadel errechnet hat (auf der Basis von 58 Eheverträgen).[iv]

Johann Georg Wisger: Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz (reg. 1437-1449) und seine Gemahlin Margarete (gest. 1479), Kurfürst Friedrich I. und Kurfürst Philipp und seine Gemahlin Margarete von Bayern, 18. Jh., Historisches Lexikon Bayern (https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Amberger_Hochzeit,_1474)
Johann Georg Wisger: von links – Kurfürst Ludwig IV. von der Pfalz (reg. 1437-1449) und seine Gemahlin Margarete (gest. 1479), Kurfürst Friedrich I. und Kurfürst Philipp und seine Gemahlin Margarete von Bayern-Landshut, 18. Jh., Historisches Lexikon Bayern (https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Amberger_Hochzeit,_1474)

Die Amberger Hochzeit wurde zwar von der Landshuter Hochzeit 1475 durch die Vielzahl der hochrangigen Hochzeitsgäste übertroffen, beim Ehevertrag sind allerdings keine Unterschiede festzustellen. Auch für Hedwig von Polen wurden die üblichen 32.000 Gulden Mitgift und 32.000 Gulden Widerlage veranschlagt –dass sie eine Königstochter war, hatte auf den Vertrag keine Auswirkungen. Sollte ihr Gatte vor ihr versterben, was er letztendlich nicht tat, konnte Hedwig Einkünfte in der Höhe von 64.000 Gulden aus ihrem Wittum Trostberg, Traunstein, Kraiburg und Mörmoosen beziehen.[v]

Michael Wening: Schloss Mörmoosen, 1721.
Michael Wening: Schloss Mörmoosen, 1721.

Diese vier Schlösser und Herrschaften lagen relativ nah am Familiensitz der Landshuter Herzöge, der Burg Burghausen, im südöstlichen Teil des Herzogtums. Auch das Leibgedinge, das Hedwigs Schwiegermutter Amalia von Sachsen bei ihrer Hochzeit mit Ludwig dem Reichen 1452 verschrieben worden war, lag ganz in der Nähe: die Stadt Ötting (Neuötting), ein wohlhabender Umschlagplatz für den Salzhandel, sowie die Burgen Wald an der Alz und Julbach. Laut der Eheverabredung betrugen Amalias Mitgift und die Landshuter Widerlage zusammen „nur“ 38.000 Gulden. Als Ludwig der Reiche 1479 starb, ließ Amalia sich allerdings von ihrem Sohn Georg dem Reichen auszahlen und kehrte nach Sachsen zurück – ein für fürstliche Witwen ungewöhnlicher Schritt.

Philipp Apian, Jost Amman: Bairische Landtafeln, 1566, Ausschnitt mit Burghausen, Wald, Kraiburg, Mörmoosen und Neuötting.
Philipp Apian, Jost Amman: Bairische Landtafeln, 1566, Ausschnitt mit Burghausen, Wald, Kraiburg, Mörmoosen und Neuötting.

Für die Rückgabe von Ötting, Wald und Julbach erhielt Amalia insgesamt 50.000 Gulden (38.000 Gulden Heiratsgut u. Widerlage, 10.000 Gulden Morgengabe, 2.000 Gulden extra). 1481 kaufte sie für 31.000 Gulden das neu ausgebaute Schloss Rochlitz mit der zugehörigen Stadt von ihren Brüdern, Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sachsen.[vi] Damit lag Amalias Witwenresidenz in unmittelbarer Nähe zu Colditz, das Teil des Wittums ihrer Mutter, der sächsischen Kurfürstinwitwe Margarete war. Wie zahlreiche Briefe belegen, pflegte Margarete ein sehr enges Verhältnis zu ihren Kindern und beklagte regelmäßig, dass diese sie öfter besuchen sollten.[vii] Vielleicht war diese enge familiäre Bindung der Wettiner auch ausschlaggebend dafür, dass Amalia als Witwe nach Sachsen zurückzog.

Matthäus Merian, Schloss Rochlitz, 1650.
Matthäus Merian, Schloss Rochlitz, 1650.

Während zu den Reichen Herzögen und ihrer Politik mittlerweile einige Studien vorliegen, haben die Frauen am Landshuter Herzogshof in der Forschung bislang eine eher untergeordnete Rolle gespielt – das gilt noch mehr für Amalia von Sachsen als für Hedwig von Polen (zu der am Kunsthistorischen Institut der LMU München derzeit ein Forschungsprojekt vorbereitet wird). Derzeit ist z.B. noch unklar, ob Amalia ihren Witwenhof schon 1481 nach Rochlitz verlegte. Bis 1492 soll sie regelmäßig zwischen Landshut und Burghausen hin- und hergereist sein.[viii] Daher werde ich versuchen, diesen Spuren Amalias von Sachsen in den verbliebenen Landshuter Ämterrechnungen nachzugehen. Möglicherweise ergibt sich daraus ein genaueres Bild von der Reiseaktivität der Herzoginwitwe und ihrer familiären Einbindung.

Gießhütte der Vischerwerkstatt, Nürnberg: Grabplatte für Amalia von Sachsen, Messing, 1502/03, Fürstenkapelle im Dom zu Meißen.
Gießhütte der Vischerwerkstatt, Nürnberg: Grabplatte für Amalia von Sachsen, Messing, 1502/03, Fürstenkapelle im Dom zu Meißen.

 

[i] Weiterführend dazu Spiess, Karl-Heinz: Witwenversorgung im Hochadel, in: Schattkowsky, Martina (Hrsg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 6), Leipzig 2003, S. 87-114 sowie Essegern, Ute: Kursächsische Eheverträge in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in: Dies., S. 115-135.

[ii] Die Ehe- und Wittumregelungen der Landshuter Herzöge sind Bestandteil des Neuburger Copialbuchs Nr. 34 im Bayerischen Hauptstaatsarchiv.

[iii] Marth, Katrin Nina: Die dynastische Politik des Hauses Bayern an der Wende vom Spätmittelalter zur Neuzeit. „Dem löblichen Hawss Beirn zu pesserung, aufnemung vnd erweiterung…“, Diss. Regensburg 2009, S. 106 (http://epub.uni-regensburg.de/11526/2/Marth_Dissertation_OPUS.pdf, 19.08.2016).

[iv] Herz, Mathias: Eheverträge und Heiratsgaben im spätmittelalterlichen Hochadel, Staatsexamensarbeit Greifswald 1997, S. 43f.

[v] Dorner, Johann: Herzogin Hedwig und ihr Hofstaat. Das Alltagsleben auf der Burg Burghausen nach Originalquellen des 15. Jahrhunderts (Burghauser Geschichtsblätter 53. Folge), Burghausen 2002, S. 32.

[vi] Günther, Maike: Schloss Rochlitz als Residenz und Witwensitz, in: Schattkowsky, Martina (Hrsg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung (Schriften zur sächsischen Geschichte und Volkskunde 6), Leipzig 2003, S. 65-83, S. 70.

[vii] Rogge, Jörg: muterliche liebe mit ganzen truwen allecit. Wettinische Familienkorrespondenz in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Heimann, Heinz-Dieter (Hrsg.): Adelige Welt und familiäre Beziehung. Aspekte der „privaten Welt“ des Adels in böhmischen, polnischen und deutschen Beispielen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert (Quellen und Studien zur Geschichte und Kultur Brandenburg-Preussens und des Alten Reichs), Potsdam 2000, S. 203–239.

[viii] Mitterwieser, Alois: Herzogin Margaret, Äbtissin von Neuburg a.D., in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des benediktiner-Ordens und seiner Zweige 34/ N.F. 3 (1913), S. 294-314, S. 298.

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3 comments

  1. Gerne haben wir diesen Beitrag in die Slideshow auf der Startseite von de.hypotheses.org aufgenommen. Auf diese Weise können wir ihn der Community besser präsentieren.
    Herzliche Grüße
    Lisa Bolz

    1. Christa Syrer says:

      Vielen Dank – das freut uns natürlich sehr!

  2. Ein wirklich interessantes Forschungsfeld! Viel Erfolg noch bei der weiteren Recherche!
    Herzliche Grüße,
    Marlene Hofmann vom Museum Burg Posterstein

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