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Objekt des Monats Januar: Peter Fleischmanns Bericht vom Reichstag 1582 als Quelle zur höfischen Kultur

Objekt des Monats Januar: Peter Fleischmanns Bericht vom Reichstag 1582 als Quelle zur höfischen Kultur

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it dem Jahr 2019 starten wir auf unserem Blog eine neue Reihe, in der wir monatlich ein besonderes Objekt vorstellen. Mein Objekt für den Januar ist ein Buch: Peter Fleischmanns zu Franckendorff (auch: zu Puntzelwitz) Etwas geenderte und verbesserte Description Des aller Durchleuchtigisten/ Großmechtigisten/ und unuberwindlichsten Fürsten und hern/ hern Rudolfen des andern/ Erwölten Romischen Kaisers […] Erstgehaltenen Reichstag zu Augspurg […], Augsburg 1582 (ein Digitalisat gibt es auch bei der Bayerischen Staatsbibliothek). Es enthält nicht nur Text, sondern auch Zeichnungen von Sitzordnungen zu einigen Festbanketten, die während des Reichstages von 1582 abgehalten wurden. Daher ist es als Quelle zur Hofkultur äußerst spannend.

Der Reichstag als Ereignis

Auf den Reichstagen wurde die abstrakte Rangordnung der Fürsten empfindlich spürbar und sichtbar. Wer musste hinter wem hergehen? Wer wem den Vortritt lassen? In welcher Reihenfolge saßen die Kurfürsten zur linken oder zur rechten Hand des Kaisers? Diese Fragen führten nicht selten zu ernsthaften Konflikten. Herzog Ulrich von Mecklenburg (15271603) fühlte sich durch Fleischmanns Beschreibung sogar beleidigt, da dieser die Anzahl seiner Hofjunker und Diener nicht vollständig angegeben hätte.1

Die gedruckten Sitzordnungen verbreiteten diese Rangordnung noch über den Reichstag hinaus. Die Fürsten saßen bei den Festessen aber nicht immer in der gleichen Reihenfolge um die Tafel  tatsächlich scheint es unterschiedliche Kategorien von Banketten und verschiedene Grundschemata gegeben zu haben. Für uns als Außenstehende ist das nicht immer ganz leicht zu durchschauen. Fleischmanns Schemata sind auf das Nötigste beschränkt. Wie man sich ein Festbankett des 16. Jahrhunderts vorstellen muss, zeigt aber folgende Darstellung eines Hochzeitsmahls am bayerischen Hof.

Hans Wagner/Nikolaus Solis: Kurtze … beschreibung des Durchleuchtigen … Fürsten … Wilhalmen … Hertzogen inn Obern und Nidern Bairen etc. und derselben geliebsten Gemahel, der Fürstin, Frewlein Renata … Hertzogin zu Lottringen … gehalten hochzeitlichen Ehren Fests … München, 1568, Universitätsbibliothek Salzburg, Signatur: R 11.240 III (Quelle: http://www.ubs.sbg.ac.at/sosa/bdm/bdm1010.htm)

Fürsten unter sich

Eine erste Kategorie würde ich als ’sehr formal‘ beschreiben. Darunter fällt das Bankett, das Kaiser Rudolf II. (15521612) am 30. Juli abhielt. Dabei saß der Kaiser selbst am Kopfende der Tafel, zu seiner Rechten die geistlichen Fürsten beginnend mit dem ranghöchsten, dem Erzbischof und Kurfürst von Mainz (gleichzeitig Kanzler des Reichs), Wolfgang X. von Dalberg (15371601). Es folgten der Erzbischof und Kurfürst von Trier, Johann VII. von Schönenberg (15251599), der Fürstbischof von Würzburg, Julius Echter von Mespelbrunn (15451617), der Fürstbischof von Freising und Lüttich, Ernst von Bayern (1554–1612), der Bischof von Augsburg, Marquard II. vom Berg (1528–1591) und der Großprior der deutschen Johanniter, Philipp Flach von Schwarzenberg (1525–1594). Danach wurde diese Tischseite mit weltlichen Fürsten aufgefüllt.

Peter Fleischmann zu Franckendorff (auch: zu Puntzelwitz): Etwas geenderte und verbesserte Description Des aller Durchleuchtigisten/ Großmechtigisten/ und unuberwindlichsten Fürsten und hern/ hern Rudolfen des andern/ Erwölten Romischen Kaisers […] Erstgehaltenen Reichstag zu Augspurg […], Augsburg 1582, S. 33, Bankett Kaiser Rudolfs II.
Zur Linken des Kaisers begann die Reihe der weltlichen Fürsten mit dem Erzmarschall des Reichs, Kurfürst August von Sachsen (1526–1586). Es folgten Herzog Wilhelm V. von Bayern (1548–1626), Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg (1547–1614) als Vertreter des Kurfürsten von der Pfalz, dann Herzog Ulrich von Mecklenburg, Herzog Ludwig von Württemberg (1554–1593) und der sächsische Thronfolger Christian (1560–1591) […]. Die besondere Position Wilhelms V. von Bayern erklärt sich vermutlich weniger durch seinen Rang im Reich als durch seine Abkunft, er war nämlich ein Enkel Kaiser Ferdinands I. (1503–1564).

Fürstinnen und fürstliche Fräulein an der Tafel

Bei anderen Festessen, wie dem das Kurfürst August von Sachsen am 16. Juli 1582 veranstaltete, waren auch die weiblichen Familienmitglieder der Fürsten geladen. Als Gastgeber saß der sächsische Kurfürst hier an einer der Längsseiten und räumte damit seinen Platz an der Seite des Kaisers für Joachim Friedrich von Brandenburg (1546–1608), den Administrator des Erzstiftes Magdeburg, der als Vertretung für seinen Vater Kurfürst Johann Georg von Brandenburg (1525–1598) angereist war. Bei dieser Sitzordnung saßen die fürstlichen Ehepaare, wie auch bei einem vergleichbaren Bankett Wilhelms V. von Bayern, zusammen.

Peter Fleischmann zu Franckendorff (auch: zu Puntzelwitz): Etwas geenderte und verbesserte Description Des aller Durchleuchtigisten/ Großmechtigisten/ und unuberwindlichsten Fürsten und hern/ hern Rudolfen des andern/ Erwölten Romischen Kaisers […] Erstgehaltenen Reichstag zu Augspurg […], Augsburg 1582, S. 132, Bankett Kurfürst Augusts von Sachsen
Im Gegensatz dazu konnte die formale Ordnung auch weiter gelockert werden, wie bei einem Bankett, das Markus Fugger (1529–1597) in seinem Garten veranstaltete. Hier saßen sich die Eheleute gegenüber. Das Schema wurde aber nicht konsequent umgesetzt: Erzherzog Karl II. (1540–1590) saß als ranghöchster Gast mit seiner Frau Maria Anna von Bayern (1551–1608) am Kopfende, rechts daneben folgte Anna von Dänemark (1532–1585), Kurfürstin von Sachsen, deren Position wohl auch durch ihre königliche Herkunft bestimmt wurde. Ihr Ehemann saß hingegen rechts von Markus Fugger an einer der Längsseiten. Vielleicht hatte Fugger sich den sächsischen Kurfürsten als interessanten Gesprächspartner an die Seite geholt?

Peter Fleischmann zu Franckendorff (auch: zu Puntzelwitz): Etwas geenderte und verbesserte Description Des aller Durchleuchtigisten/ Großmechtigisten/ und unuberwindlichsten Fürsten und hern/ hern Rudolfen des andern/ Erwölten Romischen Kaisers […] Erstgehaltenen Reichstag zu Augspurg […], Augsburg 1582, S. 187, Bankett des Markus Fugger

Das Festbankett als Partnerbörse?

Ein Detail zum Schluss: Der Reichstag ist auch als Heiratsmarkt nicht zu unterschätzen. Bei einigen Festessen konnten unverheiratete Damen und Herren nebeneinander sitzen. Aus einer Paarung ergab sich sogar wirklich eine Eheschließung. Georg IV. Ludwig von Leuchtenberg (1563–1613) und Maria Salome von Baden (1563–1600) saßen beim Reichstag 1582 mindestens zweimal bei Tisch nebeneinander, 1586 heirateten sie.

1 Harriet Rudolph: Das Reich als Ereignis. Formen und Funktionen der Herrschaftsinszenierung bei Kaisereinzügen (1558-1618) (Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit 38), Köln, Weimar, Wien 2011, S. 416.

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